Mittwoch, 14. November 2012

Der Tunnel - Part 1

Der Tunnel - Part 1

„Ich habe Dich verletzt“ sagt die Stimme leise zu dem Mädchen im dunklen Tunnel. „Ich habe Dir weh getan“ fügt sie noch hinzu. 

Die Gestalt neben dem Mädchen ergreift vorsichtig und zögernd die zitternde Hand des kleinen weiblichen Wesens im dunklen. Die entflieht dem festen aber doch lieb gemeinten Griff.

„Es tut mir leid“ sagt die ängstliche Stimme. „Ich wollte Dir niemals weh tun, ich habe Angst Dich zu verletzen, ich hatte immer Angst und jetzt ist es geschehen" “spricht die Stimme der nicht erkennbaren Gestalt im dunklen Tunnel des Mädchens. „Ich wollte Dich nicht stechen, ich wollte Dich nicht schneiden, ich wollte nicht das Du Dich an mir stößt....“die Stimme verstummt und versucht das Mädchen mit dem Blick zu fassen. Jedoch das Mädchen entschwindet langsam und Kopf schüttelnd ins dunkle des Tunnels.

„Du hast mich nicht verletzt. Das kannst Du gar nicht. Ich habe mich verletzt. Und es ist nicht wichtig. Es ist egal. Ich kenne doch nichts anderes. Ich verdiene nichts anderes.“ Sagt das Mädchen und streckt die Hand nach der unbekannten Gestalt in ihrem Tunnel aus. „Ich bin schwach. Ich habe nicht die Macht. Ich habe nicht die Kraft. Ich kann nicht mehr kämpfen. Ich überstehe keinen Kampf mehr. Kann nicht um mich selbst kämpfen. Erkenne nicht mal mehr wer Du bist und kann auch nicht um Dich kämpfen.“ 

Bei diesen Worten zieht das zerbrochene Wesen ihre Hand zurück. „Ich gehe allein in meine Welt aus scharlachroten Scherben zurück, ich möchte Dich genauso wenig zerstören, aber Du würdest an mir endgültig ersticken,“ mit Tränen gefühlten Augen, senkt sie den Kopf und fügt hinzu „ es hätte keinen Sinn, nichts hat einen Sinn. Ich bin nicht geboren wurden um in Illusionen zu leben, um mir selber welche aufzubauen. Ich bin entstanden um Schmerz zu spüren. So ist es bestimmt. Du kannst mich gar nicht verletzen. Und wenn, es wäre nur ein Schnitt ,mehr zwischen den tropfenden Wunden.“ 

Für einen kurzen Augenblick kehrt das Mädchen zurück aus der Dunkelheit, von ihren Händen tropft Blut. „Fremde Gestalt“ sagt sie „ siehst Du das? Das ist mein Leben. So lang ich denken kann, nahm man sie von mir, was man wollte. Und nun ist die Zeit gekommen, in der ich mir von mir selbst nehme was ich will“ spricht die leise und bestimmend mit grausamen Blick. „Ich nehme mir das Leben, ich will sehen dürfen wie es dahin fließt. Ich will diesen Schmerz. Ich habe nie etwas anderes gefühlt. Du fremde Gestalt sage mir warum es jetzt anders werden sollte?“ 

Die Gestalt schweigt jedoch nur, aber dem Mädchen wird bewußt mit wem sie dort spricht, mit wem sie das Dunkle teilt, wer sie ihrem Tunnel besucht und sie begleitet. Die Konturen scheinen ihr so vertraut, sie fühlt das da mal was war, was sie am Leben hielt. Es kam von dieser Gestalt aus. 

„Ja Du bist es“ sagt sie und neigt den Kopf „sei Dir gewiss, Du hast nichts getan und Du kannst nichts tun.“ Langsam nähert sich das zerbrochene Wesen der Gestalt, behutsam nimmt sie den Gast in ihre Arme. „ Spürst Du das?“ fragt sie, von der Gestalt kommt nur ein zögerndes Nicken. 

Mit sicheren Schritten nimmt das Mädchen wieder Abstand, entfernt sich so weit das man sie nicht mehr sieht. „Ich bin nicht mehr da. Bald werde ich nur noch eine Erinnerung sein. Ein Wesen das man verachten wird. Verachten für ihre Schwäche. Für die Kraftlosigkeit. Die Machtlosogkeit.“ 

Ohne das der Gast es sieht heben die Scharlachroten Scherben den Kopf und blicken ihn fest an, „Ich habe nicht Kraft um, um Dich zu kämpfen. Ich kenne keinen Kampf nur die Aufgabe. Darum wirst Du mich verachten. Und diese Gewissheit verkrafte ich nicht. Es gibt nur eine Lösung, verlasse meinen Tunnel oder unsere eckigen Scharlachroten Scherben werden zu einem großen gemeinsamen Meer und tun sich somit immer wieder weh. Oder vielleicht erbauen wir auch eine Illusion, wir erbauen eine Traumwelt in der wir kämpfen und gewinnen und ganz werden und leben können. Dies könnte nur eine Seifenblase sein.“ 

Das Mädchen schüttelt den Kopf und sagt: „Entscheide Du. Was willst Du?“ Die Gestalt senkt den Kopf, blickt verzweifelt und sagt bloß: „Ich will Dich nicht verletzen!“

So verweilen die Gestalt und das Wesen in der Heimat des kleinen Mädchens und sind dort wo und wie alles anfing, im Schmerz gefangen zwischen den Scharlachroten Scherben im Tunnel des wahren Lebens.

17.10.2002

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen